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Zurich Center for Integrative Human Physiology (ZIHP)

Die Pandemie forderte die Universitäre Medizin Zürich in Forschung, Lehre und Versorgung heraus – und was ist morgen?

Medizinerinnen und Mediziner sowie Forschende der Universitären Medizin behandeln COVID19-Erkrankten, forschen am Virus und müssen den richtigen Weg zwischen Digitalisierung und persönlichem Kontakt in der Versorgung, in der Forschung und in der Lehre finden. Beatrice Beck Schimmer, Direktorin der Universitären Medizin, gibt einen Einblick in die Suche nach der richtigen Balance.

 

 

Beatrice Beck Schimmer

 

Portrait Beck Schimmer
Zoom (JPG, 534 KB)
Prof. Dr. med. Beatrice Beck Schimmer, Professorin für Anästhesiologie, ist ZIHP Mitglied, Direktorin Universitäre Medizin Zürich, und Mitglied der Universitätsleitung.

 

Unsere Lebensgewohnheiten und unsere Interessen haben sich seit diesem Frühjahr mit dem Auftreten des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 und der COVID-19 Erkrankung verändert. Medizinerinnen und Mediziner sowie Forschende der Universitären Medizin Zürich (UMZH) stehen im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. Sie helfen, COVID-19 Erkrankte bestmöglich zu versorgen, sind aber auch in der Forschung an vorderster Front dabei, mögliche neue Therapieansätze zu entwickeln sowie den Verlauf der Pandemie einschätzen zu können. Gleichzeitig sind wir gefordert, bei Versorgung, Lehre und Forschung den aktuellen Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu folgen. Eine nicht leichte Aufgabe! Mit angezogener Handbremse müssen wir aufs Gas treten und trotzdem nicht ins Schleudern geraten.

 

Gestern war der Lockdown
Die Universitäre Medizin Zürich war während des Lockdowns in der Versorgung an der vordersten Front dabei. Noch vor einigen Wochen bangten wir darum, ob die  unter enormem Zeitdruck aufgebauten Kapazitäten auf Intensivstationen ausreichen würden. Was wäre zudem wohl geschehen, wenn vermehrt auch Pflegeteams, Ärztinnen und Ärzte erkrankt und ausgefallen wären? Zum Glück konnten wir - wohl auch dank des Lockdowns - eine solche Entwicklung abwenden. 

 

Aber auch ausserhalb des Spitalbetriebs war die Universitäre Medizin gefordert. Mitte März musste der Präsenzunterricht von einem Tag auf den anderen aufgegeben und die ganze Lehre auf Online-Formate umgestellt werden. Die Forschung wurde weitgehend gestoppt. Für unsere Mitarbeitenden wurde eine Minimalpräsenz eingeführt, entsprechend arbeiteten die meisten von zu Hause aus. Teilnehmende von virtuellen Treffen mussten ihre Arbeitsplätze einrichten und Manch einer sich eine Umgebung schaffen, aus der die teils unpassenden, manchmal auch lustigen Accessoires nach und nach weggeräumt wurden. Aber alle gewöhnten sich erstaunlich schnell an die neue Situation, auch wenn technische Pannen immer wieder vorkamen.

 

Die meisten Wissenschaftler*innen mussten ihre Studien beenden oder unterbrechen. Viele nutzten die frei gewordene Zeit jedoch für wissenschaftliche Auswertungen, Literaturstudien und zukünftige Forschungspläne. So konnte dem Lockdown durchaus auch Positives abgewonnen werden. Ausgenommen vom Forschungsunterbruch war die Forschung rund um COVID-19. Dabei wurde auch über die Institutionen hinweg eng zusammengearbeitet. So konnten zum Beispiel im Rahmen eines «Speed-Datings», organisiert von der Hochschulmedizin Zürich, wertvolle Kontakte zwischen Angehörigen der UZH und der ETH geknüpft werden.

 

Wie virtuell wird künftig die neue Normalität sein?
Mit den jeweiligen Ankündigungen des Bundesrates vollziehen wir etappenweise den Ausstieg aus dem Lockdown. Die wohl grösste Herausforderung dabei ist die Planung der Zukunft. Für die Universitäre Medizin Zürich bedeutet dies in Forschung, Lehre und Versorgung, über neue Arbeitsweisen und Formen der Interaktion nachzudenken, um direkten Kontakt weiterhin reduziert zu halten.

 

Videosprechstunden steigern die Effizienz aber ersetzen den
persönlichen Kontakt nicht

In der Versorgung sind virtuelle Interaktionen ein bestehender Trend, der nun beschleunigt wird: So sind Videosprechstunden in der Schweiz, aber auch in vielen anderen Ländern seit Jahren etabliert. In den USA gehörten virtuell durchgeführte Arztvisiten an vielen Standorten bereits vor der Corona-Pandemie zum Standard. So werden Patienten und Patientinnen nach gewissen Eingriffen nur noch virtuell nachbehandelt und physische Sprechstundenbesuche werden auf ein Minimum reduziert, was die Effizienz verstärken kann. Bei primären Diagnose- und Therapieprozessen müssen die Patienten jedoch weiterhin für eine physische Konsultation aufgeboten werden. Auch bringen Videosprechstunden gewisse Herausforderungen in der Kommunikation zwischen Behandlungspartnern und im Datenschutz mit sich. Die unmittelbare Nähe zur Patientin/zum Patienten spielt eben doch immer noch eine wesentliche Rolle. Und nicht zu vergessen: Auch persönlich bedeutet uns Ärztinnen und Ärzten der Kontakt mit den Patient*innen viel.

 

Chancen und Herausforderungen in der klinischen Forschung

In der klinischen Forschung bestand schon in den letzten Jahren die grosse Herausforderung, genügend Probanden zu finden, die einen Mehraufwand wie Nachkontrollen im Spital auf sich nehmen, um bei einer klinischen Studie mitzumachen. Daher denkt man seit geraumer Zeit über neue Formen von klinischen Studien nach, so über die sogenannten «decentralized clinical trials» (DCT), bei denen viele Erfassungen elektronisch ablaufen. Für die Planung der Forschung in den kommenden Monaten sind solche kontaktlos gedachten klinischen Studien wohl attraktiv und könnten auch in der Zeit des «social distancing» eine grosse Chance bedeuten. Auch sie lösen jedoch neue Fragen um Patientensicherheit, insbesondere was den «remote consent» betrifft, aber auch die Datenqualität.

 

Eine weitere Herausforderung in der Forschung wird sein, ein Gleichgewicht zwischen COVID-19 Forschungsprogrammen und weiterer Forschung zu finden, die nicht an Wichtigkeit verloren hat. Auch stellt sich die Frage, wie damit umgegangen werden soll, dass zwar sehr viel Geld der COVID-Forschung zugesprochen wurde, doch gewisse klinischen Studien bei der tiefen Zahl von Infizierten aktuell gar nicht sinnvoll durchgeführt werden können. Eine Antwort darauf gibt es wohl im Augenblick nicht.

 

In der Lehre kann nicht alles virtuell simuliert werden
In der Planung der Lehre besteht aktuell grosse Unsicherheit. Es ist im Moment noch nicht absehbar, unter welchen Bedingungen das Herbstsemester starten wird. Um auch auf ein Worst-Case-Szenario vorbereitet zu sein, müssen die Vorbereitungen dahingehend getroffen werden, dass bei Bedarf sämtliche Vorlesungen und Kurse wiederum virtuell abgehalten werden können. Falls physische Präsenz unter Einhaltung eines gewissen Abstands möglich ist, erfordert auch dies eine sorgfältige Planung und entsprechend eine gute Umsetzung. So könnten, bei einer Vorgabe von 4 m2 pro Person, am Standort Irchel gerade noch 460 statt insgesamt 3‘100 Sitzplätze genutzt werden. Eine ebenso grosse Herausforderung wäre die Organisation von klinischen Kursen bzw. entsprechenden Alternativen. Simulationstrainings für Studierende sind mit Sicherheit eine Möglichkeit und werden aktuell bereits angeboten. Jedoch stellt sich die Frage, wie sehr diese den  Trainings mit Patienten und Patientinnen unter realen Verhältnissen entsprechen. Bei der Komplexität der Biologie wäre es vermessen zu glauben, dass Krankheitssituationen adäquat simuliert werden könnten.

 

Wir alle haben im Lockdown viel gelernt und davon profitiert, gewisse Interaktionen virtuell planen zu müssen. Jedoch geht meiner Ansicht nach nichts über ein ab und an in physischer Präsenz durchgeführtes Lab-Meeting, ein Praktikum mit einer Kleingruppe von Studierenden im Labor oder am Krankenbett oder aber ein Gespräch mit Patienten, denen man gegenübersitzt und an deren Freude, Leid oder Trauer man ohne virtuelles Medium teilnimmt. In einem gewissen Rahmen kann und soll dies weiterhin stattfinden. So müssen wir doch ganz langsam beschleunigen aber nur ganz sachte die Handbremse immer weiter lösen. Wir wissen noch nicht, wohin die Reise geht, aber, wenn wir so umsichtig weiterfahren, bleiben wir auf der richtigen Spur.

 

16. Juli 2020

 

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